Gefährdung durch den EHEC Darmkeim (Teil 2)         
        5. Juni 2011 
      Bei Gegenüberstellung der Verbreitungswege des EHEC Bakteriums und der Handels- und Vertriebswege ist man seit Sonntagabend auf eine neue Spur gekommen. Sprossen, die weißen   Keimlinge, die  im Bioladen, im Supermarkt oder auf dem Wochenmarkt verkauft werden, sind 
      ins Visier der EHEC-Ermittler gerückt. Dennoch Gesundheitsminister Bahr warnt vor voreiligen Vermutungen und Spekulationen. Nach einer Reihe falscher Annahmen, möchte man erst einmal weitere Untersuchungen abwarten, bevor man voreilige Schlüsse zieht. Inzwischen ist die Zahl der Todesfälle durch EHEC auf 21 gestiegen. Bei 627 Patienten in Deutschland ist derzeit das gefährliche hämolytisch-urämische Syndrom (HUS)   diagnostiziert worden. (Stand 5. Juni) 
       
Die Sprossen aus einem Bio Betrieb in   der kleinen 6500-Einwohner-Gemeinde Bienenbüttel im niedersächsischen Kreis   Uelzen
 wurden direkt oder über Zwischenhändler an Einrichtungen in Hamburg,   Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern  und  Hessen geliefert. 
 Das jetzige Verdachtsmoment besteht ausschließlich aufgrund   der Lieferkette dieses Betriebes und der Tatsache, dass auch eine Mitarbeiterin des Betriebes selbst an EHEC erkrankt ist sowie weitere unter Durchfallerkrankungen leiden.  
  
 Der Bio-Betrieb hat wohl aus   Bienenbüttel
über   diverse Zwischenhändler an gastronomische Einrichtungen in Hamburg,    Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen, und Schleswig-Holstein geliefert. Unter den Adressaten der Sprossen war auch das jüngst in die Schlagzeilen geratene Restaurant in Lübeck, wo 17 Menschen an Durchfall   erkrankten. Noch ist unklar, wie das Bakterium in dem Betrieb in Bienenbüttel in bzw. auf die Sprossen gelangen konnte. Experten halten es für möglich, dass das lebensgefährliche Bakterium in   dem 38 ° Grad warmen Sprühnebel entstanden sein könnte, welcher zum Keimen auf das Saatgut versprüht
wird. Im   Wasser wurden allerdings bisher noch keine Spuren von EHEC gefunden. Daher auch  die Skepsis gegenüber der jüngsten Spur. Möglich ist aber auch, dass bereits das Saatgut infiziert war, das von verschiedenen deutschen und ausländischen Lieferanten bezogen wurde. Man hofft im Laufe des morgigen Tages auf weitere aufschlussreiche Laborergebnisse, die Klarheit geben könnten. Insbesondere die Mischung "Milde Sprossen" steht besonders im Verdacht, die EHEC- Epidimie ausgelöst zu haben. Noch   vorhandene Ware ist eingezogen worden. Es ist aber nicht auszuschließen, dass Sprossen aus Bienenbüttel noch im Handel sind. Die Rückholung bereits ausgelieferter Ware ist eingeleitet. Der Betrieb   in Bienenbüttel ist bis auf Weiteres seit Sonntag gesperrt.  
 
      s. auch Tagesschau-Artikel vom 5. Juni 2011
       
      1) "Sprossen aus Niedersachsen im Verdacht" 
       
      2) "Sicher ist das nicht, aber sehr plausibel" 
       
       
 
      4. Juni. 
        Auf der Suche nach der Herkunft des EHEC Erregers gab es kurzzeitig eine heiße Spur. 
        Demnach erkrankten insgesamt   17 Menschen nachdem sie Mitte Mai ein Lübecker Restaurant   besucht hatten. Nach Angaben des Kieler Verbraucherschutzministeriums fanden in dem besagten Restaurant bereits erste Untersuchungen statt. 
      
                Erkenntnisse am Nachmittag ... Entwarnung 
Bei den Untersuchungen des Lübecker   Lokals sind keinerlei Hinweise auf den EHEC Keim gefunden worden. Wohl zu recht monierte der Küchenchef, dass das Restaurant   selbst Endverbraucher  und von diversen Lieferanten abhängig sei. 
 
Nach Russland hat nun auch der Libanon ein Importstopp für Gemüse aus EU-Ländern verhängt. Stattdessen möchte das Land  nun vermehrt Agrarprodukte aus Syrien   und Jordanien einführen, so Landwirtschaftsminister   Hussein Hadschdsch Hassan gegenüber AFP.      Unterdessen kamen italienische Wissenschaftler vom EU-Referenzlabor   für E-Coli-Bakterien in Rom zum Schluss, dass kontaminiertes   Gemüse nicht der Grund für die  unzähligen Infektionen in Deutschland sein kann.   
         
        Bei der Zahl der Neuinfektionen lässt sich eine leichte Entspannung feststellen. Dennoch ist wohl noch kein Grund zur Entwarnung gegeben. 
         
         
        Aktuelles/Hintergrundinformationen: 
        Forschern ist es inzwischen gelungen, das Erbgut des gefährlichen Erregers zu entschlüsseln. Offenbar handelt es sich bei dem grassierenden hochinfektiösen Darmkeim  "Bakterien-Typ "O104" um eine seltene und veränderte  Variante des EHEC Erregers, der gegen viele Medikamente wie beispielsweise Antibiotika resistent ist. Neuesten Erkenntnissen zufolge ist es eine Kombination aus einem Bakterium,  das in Zentralafrika blutige Darmentzündungen verursacht (dem sogenannten EAEC-Erreger) und dem hier bekannten  EHEC-Erreger. Hier sind also zwei  tödliche Keime miteinander vereinigt worden. Der  zentralafrikanische EAEC-Erreger (Enteroaggregative E.coli) kann bei Menschen  schwere körperliche Schäden infolge blutiger Durchfälle auslösen. 
         
        EHEC Bakterien kommen normalerweise im Darm von Wiederkäuern vor. (Rinder, Ziegen, Schafe, Rehe, Hirsche). Die Bakterien, die im Kot dieser Tiere zu finden sind, können über eine Kontakt- oder Schmierinfektion über den Mund in den menschlichen Körper gelangen. Das jetztige Bakterium ist jedoch deutlich aggressiver und auch gefährlicher. Die an der Darmwand der erkrankten Patienten angesiedelten Bakterien geben Gifte ab, die rote Blutkörperchen (Blutzellen) regelrecht zerplatzen lassen. Bruchstücke der zerplatzen Zellen verstopfen häufig feinste Äderchen der Nieren, so dass diese nicht mehr funktionieren. Eine Dialyse und Plasmapherese (Austausch von Blutplasma) wird notwendig. Zudem kann es auch zu Schlaganfällen infolge von Gefäßverschluss im Gehirn kommen. 
         
        Im Kampf gegen den EHEC Erreger haben sich die Behörden nun auf ein bundesweites Register, eine gemeinsame Datenbank, verständigt. (Stand 3. Juni) An der Datenbank beteiligen sich 15 Krankenhäuser, darunter die Universitätskliniken   in Hamburg, Hannover und Kiel. Ziel ist es Erkenntnisse zu bündeln, um die Behandlung der Krankheit zu verbessern. Außerdem soll über ein zusätzliches Register die Bettenkapazität der Kliniken   koordiniert werden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnte EHEC-Patienten vor der Einnahme von   Antibiotika. Diese könnten den Ausstoß von Giften durch das Bakterium noch deutlich erhöhen. Zudem sei nach Ansicht der WHO auch der Einsatz von Medikamenten gegen Durchfall nicht empfehlenswert, da dadurch die Bakterien  weniger rasch ausgeschieden würden. 
         
        Normalerweise beträgt die Inkubationszeit für den gewöhnlichen EHEC Erreger 1-3 Tage. Infizierte Personen können 5-10 Tage ansteckend sein. Kinder sogar deutlich länger.  
         
        Dieser besonders agressive EHEC Keim vom Typ 0104 hat jedoch eine Inkubationszeit von 10-12 Tagen, was es besonders erschwert, den Träger der aggressiven Keims  im Nachhinein (sei es auf Gurken, Salat, Tomaten oder wie zuletzt angenommen auf Sprossen) ausfindig zu machen. Bereits wenige EHEC Keime reichen für eine Infektion. Die Personen, die durch EHEC Bakterien erkrankt sind, leiden für gewöhnlich unter leichtem bis schweren blutigen Durchfall, Übelkeit und Erbrechen.  
        Ca. 10- 20 % der Infektionen verlaufen sehr schwer. Zusätzlich kann es bei 5-10% 
        zum hämolytisch-urämischen   Syndrom (HUS) kommen. Dieses kann zu  lebensgefährlichen Nieren- und   Nervensystemschäden (Unruhezustände,   Sprachstörungen wie bei einem Schlaganfall und Zuckungen bis hin zu   epileptischen Anfällen) führen. Bei schwerem Verlauf der Erkrankung ist eine Blutwäsche derzeit unvermeidlich. Viele von  ihnen   liegen auf Intensivstationen 
        Ein neuer Wirkstoff  gegen Blutarmut (Eculizumab), der unter dem Markennamen Soliris vertrieben wird, stimmt Mediziner unterdessen verhalten optimistisch. Der Wirkstoff wurde bereits in mehreren Kliniken bei Patienten mit Erfolg eingesetzt, die am   hämolytisch-urämischen Syndrom (Hus) erkrankt sind. Das Medikament ist seit   2007 in Deutschland auf dem Markt und ist gegen die Behandlung einer seltenen Blutkrankheit, der paroxysmalen nächtlichen Hämoglobinurie zugelassen.       
              In Deutschland sind bereits 18 Menschen an den Folgen der Erkrankung gestorben. 
         
        (Stand 3. Juni 2011) Die Zahl der gemeldeten EHEC-Infektionen und -Verdachtsfälle liegt bundesweit  bei über 2000.  Besonders betroffen ist die Hansestadt Hamburg. Hier wurden laut Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) bereits 668 Fälle oder Verdachtsfälle gemeldet. (Stand 1. Juni). In Niedersachsen wurden am Samstag (4. Juni) 458 Fälle und Verdachtsfälle gezählt. Die   Unikliniken in Norddeutschland, also Hamburg, Kiel und Lübeck stoßen wegen der   EHEC-Welle bald an ihre Kapazitäts-Grenzen. Allein in der Uni-Klinik Kiel liegen über 80 Menschen mit dem   lebensbedrohlichen hämolytisch-urämischen Syndrom. (Stand 30. Mai). Bundesweit leiden derzeit mindestens 520 Patienten an dem lebensgefährlichen Syndrom HUS. 
      Wegen des hohen Bedarfs an Blutkonserven und Blutplasma haben Krankenkassen, Ärzte und medizinische Einrichtungen zum Blutspenden aufgerufen.  
         
        Auch im Ausland grassiert inzwischen der Erreger. Bei den meisten Erkrankungen handelt es sich um Personen, die zuvor in Norddeutschland waren.         
         
        EHEC INFEKTIONEN/Verdachtsfälle in EUROPA (Stand: 1. Juni) :       
      
        
          | Schweden   41 (davon 15 HUS) | 
          Großbritannien 3 Fälle (davon 2 HUS) | 
         
        
          | Dänemark 14 (davon 6 HUS) | 
          Niederlande 7 (davon 3 HUS) | 
         
        
          | Frankreich 6 EHEC-Fälle | 
          Österreich   2 EHEC-Fälle | 
         
       
       
        
        Vermutlich haben sich inzwischen auch in den USA drei Personen mit dem Darmkeim infiziert, die zuvor in Deutschland gewesen sind. (Stand 3. Juni) Die USA kontrollieren nach eigenen Angaben seit Freitag Gemüselieferungen aus Deutschland und Spanien. Derzeit kommen aber gerade mal 0,2 % der US-Obst- und Gemüseimporte aus Deutschland beziehungsweise   Spanien. Der Durchfallerreger EHEC hat inzwischen auch das   erste Todesopfer außerhalb von Deutschland gefordert. Am Dienstag, den 31. Mai, verstarb eine 50-jährige Frau in Schweden, die zuvor in Deutschland gewesen war. 
         
       
Nach der Quelle des Erregers wird weiter fieberhaft gesucht. Erste Vermutungen, die Quelle des Erregers seien spanische Gurken stellten sich im Nachhinein als falsch heraus. Neue Studien des Robert Koch-Instituts (RKI) stützen bisherige Warnungen, zum   Schutz vor EHEC auf rohe Tomaten, Gurken und Salat zu verzichten. Denn insgesamt   95 Prozent der erkrankten Patienten hatte mindestens eine der drei Gemüsearten (Salat, Gurken, Tomaten) verzehrt.  
      Aufgrund der Kaufzurückhaltung rechnet die Branche mit Umsatzeinbußen von 4 Mio Euro pro Tag. Derzeit wird in der EU über eine finanzielle Kompensation der betroffenen Landwirte nachgedacht. Russland hat underdessen Gemüseimporte aus der EU bis auf weiteres gestoppt.  
         
 
         
        Todesopfer durch den EHEC - DARMKEIM: 
         
        Am Sonntag (22. Mai) starb in dem schleswig-holsteinischen Landkreis Stormarn eine ältere Frau, die mit dem Erreger infiziert war. Ob die EHEC-Infektion Todesursache war, ist jedoch nicht ganz klar, da die über 80-jährige Frau in dem Krankenhaus wegen einer Operaton war. 
       Ein weiteres Todesopfer des EHEC-Keims ist eine 83-jährige Seniorin aus Niedersachsen (Kreis Diepolz), die  seit Mitte Mai wegen eines blutigen Durchfalls stationär behandelt   worden war. Sie ist am 24. Mai verstorben. 
        
In der Nacht zum 24. Mai starb eine junge Frau (24), - das bisher jüngste Opfer des gefährlichen Darmkeims- an den Folgen des lebensgefährlichen hämolytisch-urämische Syndroms. Sie war mit Durchfall und starken Bauchkrämpfen in die Bremer Klinik Links der Weser   eingeliefert worden. Am 25. Mai verstarb eine 41 Jahre alte Frau aus dem Landkreis Cuxhaven. Sie war seit dem 21. Mai  wegen des sogenannten hämolytisch-urämischen Syndroms (HUS) stationär   behandelt worden. In Hamburg ist ein 38-jähriger Mann von der Feuerwehr tot in seiner Wohnung gefunden worden. Eine erste Probe wurde positiv auf EHEC getestet. Am Donnerstag den 26. Mai verstarb eine 38-jährige Frau an den Folgen einer EHEC Infektion. 
Im Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) gab es in der Nacht zu Samstag   einen weiteren Todesfall: Hier verstarb eine 87 Jahre alte HUS-Patientin. 
Am Samstag (28. Mai) kam in einem Krankenhaus im Kreis Herzogtum Lauenburg eine 84 Jahre   alte Frau an den Folgen der schweren Komplikation HUS ums Leben. Ebenfalls am Samstagabend ist auf dem Campus Lübeck eine 86-jährige Patientin an den   HUS-Folgen gestorben. Tragischerweise musste auch der Ehemann mit gesicherter EHEC-Infektion aufgenommen werden.  
      In NRW, Kreis Güterloh, verstarb am Montag (30. Mai) eine 40-50 Jahr alte Frau an den Folgen des hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS). Bereits am Sonntag (29. Mai) war in Nordrhein-Westfalen eine Frau (91) aus Bad Lippspringe (Kreis Paderborn) an den Folgen der Darminfektion gestorben. Am Wochenende (28./29. Mai) ist in Schleswig-Holstein ein 75-jähriger Mann an den Folgen der   EHEC-Infektion gestorben.  
        Am Mittwochabend (1. Juni) ist in der Uniklinik Heidelberg in Baden-Württemberg eine 55-jährige Patientin  an den Folgen des hämolytisch-urämischen Syndroms (HUS) verstorben. 
         
        Erstes Todesopfer aus Brandenburg: ein EHEC Patient  mit schweren Voerkrankungen (3. Juni)  
      Es ist jedoch unklar, ob der Patient an den schweren Vorerkrankungen oder an dem durch Ehec ausgelösten Nierenversagen starb.  
      In Mecklenburg-Vorpommern verstarb eine 87-jährige Frau aus dem Landkreis Parchim an den Folgen einer EHEC-Infektion. 18. Todesopfer: eine 80-jährige EHEC Patientin  aus Mecklenburg-Vorpommern   |